Die Kurven des Blutzuckers

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 Bevor ich zu Perfood gekommen bin, habe ich mich wenig mit meinem Blutzucker auseinander gesetzt. Doch seit ich nun täglich mit Fragestellungen zum Blutzucker konfrontiert bin, fasziniert mich, wie stark sich vermeintlich kleine Zwischensnacks auf meinen eigentlich gesunden Körper auswirken und wie schwach so manche Hauptmahlzeit den Blutzucker beeinflusst. 

Dabei fiel mir in meiner letzten MillionFriends-Testphase auf, dass mein Blutzucker aber nicht nur unterschiedlich stark hoch und runter geht, sondern teilweise auch wellenförmig verläuft. Noch einmal kurz zum Hintergrund: in den 2-3 Stunden nach einer Mahlzeit, wird diese im Körper verstoffwechselt, also verdaut und verarbeitet. Im Magen-Darm-Trakt werden die Nährstoffe zerkleinert und anschließend über die Darmwand aufgenommen. Auch Kohlenhydrate gelangen so ins Blut – der Blutzucker steigt. Insulin wird nun freigesetzt und hilft, den Blutzucker aus den Zellen aufzunehmen, der Blutzucker sinkt. Die Verdauung einer Mahlzeit und die anschließende Insulinreaktion dauern ungefähr 2h, manchmal etwas länger. „Weiß ich doch“, sagt ihr? „Das ist die blaue Kurve unten.“
Stimmt!

Und warum zeige ich euch noch eine rote und eine grüne und was bedeuten sie? Und: sind sie gut oder schlecht? Die Fragen habe ich mir gestellt, denn bei mir kommt es relativ häufig zu der grün dargestellten, m-förmigen Kurve.

Aber der Reihe nach:

Die blaue Kurve nennt sich „monophasisch“, das bedeutet, sie hat eine Spitze nach oben. Die rote Kurve hat zwei Spitzen, eine nach oben und eine nach unten, deshalb heißt sie biphasisch. Und die grüne Kurve hat drei Spitzen, also triphasisch (Cheng et al. 2019).
Es hat sich in Studien mit gesunden Probanden gezeigt, dass monophasische Kurven darauf hindeuten, dass Personen über eine geringere metabolische Gesundheit verfügen als diejenigen, die bi- oder triphasische Blutzuckerkurven hatten (de Andrade Mesquita et al. 2018). Metabolische Gesundheit wird definiert über Insulinsensitivität, also wie gut die Zellen auf Insulin reagieren und dadurch Glukose aufnehmen. Das bedeutet, hat jemand eine geringe metabolische Gesundheit, ist seine Insulinsensitivität geringer als normal. Dadurch wird Glukose langsamer aufgenommen und der Zucker bleibt länger im Blut. Das sieht man in der blauen Kurve – der Blutzucker steigt stark und sinkt nur langsam, weil das Insulin mehr arbeiten muss, um ihn in die Zellen zu bekommen.
Dasselbe wurde auch in übergewichtigen aber gesunden, prädiabetischen und diabetischen Personen gesehen (Kim et al. 2016; Cheng et al. 2019; Nolfe et al. 2012). Die Personen mit bi- oder triphasischen Kurven hatten in allen Studien eine höhere Insulinsensitivität, einen geringeren BMI und bessere Blutglukosewerte. Interessanterweise waren diejenigen mit den triphasischen Kurven sogar noch etwas gesünder. Es ist also ein gutes Zeichen, wenn du bi- oder triphasische Glukosekurven hast, so seltsam sie auf den ersten Blick aussehen. Es hat sich aktuell eine Theorie für diese Blutzuckerreaktionen durchgesetzt: Nimmt ein metabolisch gesunder Mensch Kohlenhydrate zu sich, produziert der Körper relativ schnell Insulin in der Bauchspeicheldrüse, damit der Zucker aus dem Blut aufgenommen werden kann. Denn Zucker sollte in höheren Konzentrationen nur so kurz wie möglich im Blut sein. Um aber nicht zu viel Insulin zu produzieren, wartet der Körper dann ab und guckt erst einmal, wie viel Kohlenhydrate überhaupt gegessen werden. Diesen Verlauf seht ihr in der ersten nach oben laufenden Kurve der bi- und triphasischen Kurven. Die grüne und rote Kurve steigt aber nicht so hoch wie die blaue. Das liegt daran, dass bei metabolisch weniger gesunden Menschen entweder weniger Insulin produziert wird oder das Insulin weniger Wirkung hat, sodass die Glukose nicht so schnell aufgenommen werden kann und länger im Blut verbleibt.
Menschen mit biphasischen Kurven haben dadurch einen schnelleren Abfall der Blutglukose, die dann wieder ansteigt, weil der Körper ja abwartet, wie viel Kohlenhydrate wirklich kommen und dann je nach Bedarf erneut Insulin ausschüttet. Bei Menschen mit triphasischen Kurven reagieren die Zellen noch besser auf Insulin, sodass der Zucker noch schneller aus dem Blut aufgenommen wird und abfällt. Es folgt dann wieder die Aufnahme aus dem Darm, der Blutzucker stiegt und das produzierte und gut wirksame Insulin bewirkt erneut einen gesunden Abfall (Arslanian et al. 2019; de Andrade Mesquita et al. 2018).
Knoten im Kopf? Guck dir das Bild oben noch einmal an und lies dann den Text noch einmal in Ruhe. Zu bedenken ist hier, dass diese Theorie wahrscheinlich auch noch davon abhängt, wie schnell die Magenentleerung vonstatten geht, wie gut gekaut wurde und welche Kohlenhydrate gegessen wurden.
Metabolische Gesundheit ist wichtig und kann wiedererlangt werden. Ihr müsst euch also keine Gedanken machen, wenn eure Kurven immer nur monophasisch sind – mit gesunder Ernährung und Gewichtsabnahme lässt sich hier noch viel machen! Und ganz ideal sind ohnehin flache Blutzuckerkurven, die so wenig Ausschlag zeigen, dass man kaum zwischen mono-, bi- und triphasischen Kurven unterscheiden kann. Mit MillionFriends kannst du eine solche Ernährung für dich finden.

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Es hat dich gepackt? Hier findest du weitere wissenschaftliche Informationen zum Thema:

Andrade Mesquita, Leonardo de, Luciana Pavan Antoniolli, Giordano Fabricio Cittolin-Santos, and Fernando Gerchman. 2018. “Distinct Metabolic Profile According to the Shape of the Oral Glucose Tolerance Test Curve Is Related to Whole Glucose Excursion: A Cross-Sectional Study.” BMC Endocrine Disorders 18 (August): 56. https://doi.org/10.1186/s12902-018-0286- 7. 

Arslanian, Silva, Laure El ghormli, Joon Young Kim, Fida Bacha, Christine Chan, Heba M. Ismail, Lorraine E. Levitt Katz, Lynne Levitsky, Jeanie B. Tryggestad, and Neil H. White. 2019. “The Shape of the Glucose Response Curve During an Oral Glucose Tolerance Test: Forerunner of Heightened Glycemic Failure Rates and Accelerated Decline in β-Cell Function in TODAY.” Diabetes Care 42 (1): 164–72. https://doi.org/10.2337/dc18-1122. 

Cheng, Xinqi, Na Yang, Yuxiu li, Qi Sun, Ling Qiu, Lingling Xu, Fan Ping, Wei Li, and Hua-Bing Zhang. 2019. “The Shape of the Glucose Response Curve during an Oral Glucose Tolerance Test Heralds β–Cell Function in a Large Chinese Population.” BMC Endocrine Disorders 19 (November). https://doi.org/10.1186/s12902-019-0446-4. 

Kim, Joon Young, Sara F. Michaliszyn, Alexis Nasr, SoJung Lee, Hala Tfayli, Tamara Hannon, Kara S. Hughan, Fida Bacha, and Silva Arslanian. 2016. “The Shape of the Glucose Response Curve During an Oral Glucose Tolerance Test Heralds Biomarkers of Type 2 Diabetes Risk in Obese Youth.” Diabetes Care 39 (8): 1431–39. https://doi.org/10.2337/dc16-0352. 

Nolfe, Giuseppe, Maria Rita Spreghini, Rita Wietrzycowska Sforza, Giuseppe Morino, and Melania Manco. 2012. “Beyond the Morphology of the Glucose Curve Following an Oral Glucose Tolerance Test in Obese Youth.” European Journal of Endocrinology 166 (1): 107–14. https://doi.org/10.1530/EJE-11-0827. 

Über die Autorin
Gianna Kühn

Gianna Kühn

Gianna ist im Forschungs- und Entwicklungs-Team von Perfood. Als promovierte Ernährungswissenschaftlerin kennt sie die positiven und negativen Einflüsse von Lebensmitteln und deren Nährstoffen auf Körper und Gesundheit. Damit ihr auch eure Ernährung optimieren und euren Körper besser verstehen könnt, teilt sie dieses Wissen in unseren Beiträgen und Programmen mit euch.

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