Kältetherapie zur Regulation des Blutzuckers?

Schon seit der Antike gibt es die Idee, dass Kältetherapie und Eisbaden die Gesundheit fördern. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigen nun nicht nur die positiven Effekte von Kälte auf die Gesundheit, sondern zeigen, dass Kältetherapie den Blutzuckerspiegel senken kann.

Die Wim Hof Methode

Schaut man in den sozialen Netzwerken zu Themen wie Eisbaden und Gesundheit, stößt man schnell auf die sogenannte Wim Hof Methode. Sie wurde von dem niederländischen Extremsportler Wim Hof entwickelt. Die Idee hinter seiner Methode ist, durch Eisbaden das Nervensystem und das Immunsystem zu kontrollieren und sich daher besser vor Krankheiten schützen zu können. Dabei stützt sich die Methode auf drei Säulen: Atmung, Kälteadaption und Willenskraft. Kurz gesagt soll also durch Eisbaden in Kombination mit kontrollierter Atmung und Willenskraft die Gesundheit gestärkt werden.

Natürlich steckt hinter der Marke Wim Hof sehr viel Marketing. Die Ansätze sind aber tatsächlich gar nicht verkehrt. Denn die gesundheitlichen Vorteile von Kälte auf die Regeneration des Körpers und die Stärkung des Immunsystems sind wissenschaftlich bestätigt.1,2,3,4 Auch der positive Einfluss einer kontrollierten Atmung auf die Gesundheit ist erwiesen.5

Verbesserte Regeneration des Körpers

Der Körper muss auf die extreme Kälte eines Eisbades reagieren, um warm zu bleiben. Die ansonsten drohende Unterkühlung wäre im schlimmsten Fall lebensgefährlich.

Durch den ersten Schock der plötzlichen Kälte ziehen sich die Blutgefäße zusammen, wodurch unwichtigere Teile des Körpers wie die Haut, Hände und Füße weniger stark durchblutet werden und weniger Körperwärme verloren geht. Durch die verringerte Durchblutung wird außerdem die Einlagerung von Blut in das Gewebe erschwert, das heißt es entstehen weniger Hämatome (Blutergüsse). Anschließend fängt der Körper an, Wärme zu produzieren, wobei sich die Blutgefäße wieder weiten. In letzter Konsequenz verbessern Kälte und Eisbaden dadurch die Durchblutung.6,7

Die Kälte führt auch dazu, dass der Körper vermehrt Adrenalin, Endorphine sowie Kortikoide ausschüttet. Die hohen Konzentrationen von Adrenalin und Endorphinen wirken schmerzlindernd oder schmerzunterdrückend. Die Kortikoide wirken entzündungshemmend, weswegen Kältetherapie auch zur Behandlung von Entzündungen eingesetzt wird.7,8

Im Leistungssport werden Eisbäder oder die Kältekammer (Kryotherapie) gerne eingesetzt, um die Regeneration des Körpers zu unterstützen. Hierdurch wird die Temperatur der Tiefenmuskulatur gesenkt, die Muskeln reichern sich mit Sauerstoff an und die Muskeln regenerieren schneller.1 Die Muskelspannung verringert sich nach einiger Zeit, was zur Verringerung von Schmerzen beiträgt. Darüber hinaus wird die Haut durch die Abkühlung des Gewebes weniger schmerzempfindlich. Studien zeigten, dass durch diese Methoden weniger Muskelschmerzen und Muskelkater, weniger Müdigkeit sowie ein verbessertes Wohlbefinden erreicht werden können.2

In der Medizin werden Kältetherapien außerdem angewendet, um entzündliche Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis zu lindern.9

Wiederholtes Eisbaden oder Kältetherapie haben zusätzlich noch einen weiteren wichtigen Vorteil: das Immunsystem wird gestärkt. Studien zeigten, dass für die Immunantwort wichtige Faktoren in erhöhter Konzentration vorliegen und dadurch eine bessere Immunreaktion hervorgerufen wird.3,4

Braunes Fettgewebe aktivieren und hinzugewinnen

Das Fettgewebe spielt bei der Kältetherapie eine zentrale Rolle. Um zu verstehen, welchen Einfluss Kälte auf das Fettgewebe hat, müssen wir uns aber zunächst mit dem Fettgewebe selbst beschäftigen.

Es existieren verschiedene Arten von Fettgewebe, welches als das weiße, beige und braune Fettgewebe bezeichnet werden. Den größten Anteil macht das weiße Fettgewebe aus. Es ist vor allem dazu da, die Körperwärme zu halten. Das weiße Fettgewebe kann jedoch keine Wärme selbst herstellen.10 Im Gegensatz dazu kann das braune Fettgewebe Wärme selbst generieren, es ist also besonders wichtig, um den Körper zu wärmen.11,12

Sind wir extremer Kälte ausgesetzt – zum Beispiel durch ein Bad im eiskalten Wasser – wäre das braune Fettgewebe also deutlicher nützlicher. Doch es gibt ein Problem: das braune Fettgewebe geht mit dem Alter verloren. Während Babys und Kleinkinder noch einen deutlich höheren Anteil an braunem Fettgewebe haben, ist dieser bei Erwachsenen nur noch gering.11,12

Hier gibt es aber auch gute Nachrichten: braunes Fettgewebe kann man wieder hinzugewinnen. Wiederholtes Eisbaden und Kältetherapie erhöhen die Masse und die Aktivität des braunen Fettgewebes.13,14,15

Braunes Fettgewebe gegen Diabetes Typ 2

Braunes Fettgewebe kann also durch Kälte aktiviert und hinzugewonnen werden. Aber wo ist nun der Zusammenhang zu dem Blutzuckerspiegel und Diabetes?

Braunes Fettgewebe kann Wärme generieren. Dazu wird natürlich sehr viel Energie benötigt, welche aus überschüssigen Fettsäuren und Glukose gewonnen wird.11,12 Obwohl die Bauchspeicheldrüse nicht mehr Insulin produziert, verbessert sich daher die Insulinsensitivität und mehr Zucker kann aus dem Blut in die Zellen aufgenommen werden. Die Folge: der Blutzuckerspiegel sinkt.16,17

Diabetiker können daher von einer Kältetherapie profitieren, indem die überschüssigen Fettreserven abgebaut werden und der Blutzuckerspiegel sinkt. Das führt auch zu Gewichtsverlust, was sich ebenfalls positiv auf einen Diabetes Typ 2 auswirkt.17,18,19

Vorsicht beim Eisbaden

Eisbaden oder eine Behandlung in der Kältekammer sind nicht für jeden geeignet. Bei bestimmten Vorerkrankungen ist Vorsicht geboten: besonders bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen könnte der Kälteschock zu massiven Kreislaufproblemen führen und einen Herzstillstand verursachen. Und auch Personen mit bestehenden Durchblutungsstörungen oder Sensibilitätsstörungen (z.B. als Langzeitfolge eines schlecht eingestellten Diabetes) sollten beim Eisbaden vorsichtig sein und sind für eine Kryotherapie ungeeignet.

Beim Eisbaden besteht außerdem die Gefahr einer Unterkühlung – daher sollte man nicht zu lange im eisigen Wasser bleiben. Zusätzlich ist es ratsam, nicht alleine zu baden. Sollten Kreislaufprobleme auftreten, sind dann andere Menschen vor Ort, die helfen können.

War dieser Artikel hilfreich?

Literatur:

[1] Thorpe RT. Post-exercise Recovery: Cooling and Heating, a Periodized Approach. Front Sports Act Living 2021; 3:707503. doi: 10.3389/fspor.2021.707503

[2] Rössing K. Sportmedizin: Wenn Kälte gut tut. Dtsch Arztebl 2013; 110(45): A-2132 / B-1882 / C-1834

[3] Brenner IK, Castellani JW, Gabaree C et al. Immune changes in humans during cold exposure: effects of prior heating and exercise. J Appl Physiol (1985) 1999; 87(2):699-710. doi: 10.1152/jappl.1999.87.2.699

[4] Janský L, Pospísilová D, Honzová S et al. Immune system of cold-exposed and cold-adapted humans. Eur J Appl Physiol Occup Physiol 1996; 72(5-6):445-50. doi: 10.1007/BF00242274

[5] Stephens I. Medical Yoga Therapy. Children (Basel) 2017; 4(2):12. doi: 10.3390/children4020012

[6] Meeusen R, Lievens P. The use of cryotherapy in sports injuries. Sports Med 1986. ;3(6):398-414. doi: 10.2165/00007256-198603060-00002

[7] Corti L. Nonpharmaceutical approaches to pain management. Top Companion Anim Med 2014; 29(1):24-8. doi: 10.1053/j.tcam.2014.04.001

[8] Shevchuk NA. Adapted cold shower as a potential treatment for depression. Med Hypotheses 2008; 70(5):995-1001. doi: 10.1016/j.mehy.2007.04.05

[9] Peres D, Sagawa Jr Y, Degué B et al. The practice of physical activity and cryotherapy in rheumatoid arthritis: systematic review. Eur J Phys Rehabil Med 2017 ; 53(5):775-787. doi: 10.23736/S1973-9087.16.04534-2

[10] Muzik O, Mangner TJ, Leonard WR et al. Sympathetic Innervation of Cold-Activated Brown and White Fat in Lean Young Adults. J Nucl Med 2017; 58(5):799-806. doi: 10.2967/jnumed.116.180992

[11] Thuzar M, Ho KKY. Mechanisms in endocrinology: brown adipose tissue in humans: regulation and metabolic significance. Eur J Endocrinol 2016; 175(1):R11-25. doi: 10.1530/EJE-15-1217

[12] Nuutila P. Brown adipose tissue thermogenesis in humans. Diabetologia 2013; 56(10):2110-2. doi: 10.1007/s00125-013-3005-y

[13] van der Lans AAJJ, Hoeks J, Brans B et al. Cold acclimation recruits human brown fat and increases nonshivering thermogenesis. J Clin Invest 2013; 123(8):3395-403. doi: 10.1172/JCI68993

[14] Yoneshiro T, Aita S, Matsushita M et al. Recruited brown adipose tissue as an antiobesity agent in humans. J Clin Invest 2013; 123(8):3404-8. doi: 10.1172/JCI67803

[15] Blondin DP, Labbé SM, Tingelstad HC et al. Increased brown adipose tissue oxidative capacity in cold-acclimated humans. J Clin Endocrinol Metab 2014; 99(3):E438-46. doi: 10.1210/jc.2013-3901

[16] Iwen KA, Backhaus J, Cassens M et al. Cold-Induced Brown Adipose Tissue Activity Alters Plasma Fatty Acids and Improves Glucose Metabolism in Men. J Clin Endocrinol Metab 2017; 102(11):4226-4234. doi: 10.1210/jc.2017-01250

[17] Hanssen MJW, Hoeks J, Brans B et al. Short-term cold acclimation improves insulin sensitivity in patients with type 2 diabetes mellitus. Nat Med 2015; 21(8):863-5. doi: 10.1038/nm.3891

[18] Bartelt A, Bruns OT, Reimer R et al. Brown adipose tissue activity controls triglyceride clearance. Nat Med 2011; 17(2):200-5. doi: 10.1038/nm.2297

[19] Standford KI, Middelbeek RJW, Townsend KL et al. Brown adipose tissue regulates glucose homeostasis and insulin sensitivity. J Clin Invest 2013; 123(1):215-23. doi: 10.1172/JCI62308

Über die Autorin
Jasmin Ostermann

Jasmin Ostermann

Jasmin studiert im Master Nutritional Medicine und arbeitet seit Dezember 2021 als Werkstudentin bei Perfood. Durch ihr Studium hat sie erlebt, welchen großen Einfluss Ernährung auf die Gesundheit und die Lebensqualität der Menschen haben kann und dass einige Krankheiten durch Ernährung sogar geheilt werden können. Dadurch angetrieben, möchte sie ihr Wissen gerne mit euch teilen.

Bleib auf dem Laufenden

Melde dich bei unserem Newsletter an und erhalte ein E-Book gratis

Mach jetzt den Test und erfahre, ob MillionFriends zu dir passt:

Kategorien

Beitrag teilen