Fasten: viel mehr als nichts essen
Fasten hat eine jahrhundertelange Tradition. Ursprünglich wurde besonders häufig aus religiösen Gründen gefastet. Im Christentum beträgt die Fastenzeit beispielsweise 40 Tage bis Ostern, in denen auf verschiedene Lebensmittel verzichtet wird. Traditionell wurde besonders auf tierische Produkte wie Fleisch, Eier, Butter und Milch verzichtet. Heutzutage verzichten viele vorwiegend auf Alkohol, Zucker und Süßigkeiten. Auch im Islam hat der Fastenmonat Ramadan eine große Bedeutung. In diesem Monat wird von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang gefastet.1,2 Bei den alten Griechen und den Römern wurde auch vor Jahrhunderten schon aus medizinischen Gründen gefastet.2 Heutzutage wird das Fasten aus gesundheitlichen und präventiven Gründen immer populärer.
Egal aus welchen Gründen man fastet: das Fasten bringt viele Vorteile mit sich. Welche Vorteile dies sind, für wen das Fasten geeignet ist und wie sich der Stoffwechsel an die neue Situation anpasst, erfährst du jetzt.
Abbau von Glykogen und Beginn der Autophagie
Vorweg ist eines besonders wichtig: Fasten ist nicht gleich Hungern! Während Fasten gesundheitliche Vorteile mit sich bringt, schadet Hungern dem Körper.
Der Körper verbraucht ständig Energie, um den Kreislauf aufrecht zu erhalten. Allein, damit das Herz schlägt, wir atmen, denken und unsere Muskeln bewegen können, wird viel Energie benötigt. Diese Energie nehmen wir über die Nahrung in Form von Kohlenhydraten oder Fetten und Proteinen zu uns.
Fasten bedeutet für den Körper eine enorme Anpassung des Stoffwechsels, da nun die eigentlich benötigte Energie aus der Nahrung nicht mehr zur Verfügung steht. Bleiben die Energiequellen, muss der Körper reagieren und baut die Energiereserven des Körpers nach und nach ab. Genau deswegen ist es auch so wichtig, beim Fasten Fehler zu vermeiden, um dem Körper nicht zu schaden. Wer zu lange und extrem oder falsch fastet, schadet dem Körper mehr, als er ihm hilft.
Bereits nach einigen Stunden des Fastens sind erste Veränderungen des Stoffwechsels messbar. Da die Energie aus der Nahrung fehlt, beginnt der Körper, das sogenannte Glykogen – also gespeicherte Kohlenhydrate – in der Leber abzubauen und daraus Energie zu gewinnen. Außerdem beginnt auch die Autophagie.3
Autophagie ist ein bedeutender Grund, warum Fasten gesundheitliche Vorteile hat und sich sogar die Lebenserwartung erhöht. Den Mechanismus der Autophagie kann man ganz gut als die „Müllabfuhr unserer Zellen“ beschreiben.4 In unseren Zellen finden jede Sekunde unzählige Stoffwechselreaktionen statt. Dabei fällt natürlich auch zellulärer Abfall an, also Stoffwechselprodukte, die in den Zellen nicht mehr benötigt werden. Wird die Autophagie aktiviert, sorgt sie dafür, dass dieser zelluläre Abfall aus den Zellen transportiert werden kann. Dies ist besonders wichtig, um das innere Gleichgewicht der Zelle aufrecht zu erhalten.4 Obwohl die zugrundeliegenden Mechanismen der Autophagie wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt sind, ist doch klar, dass Autophagie und Fasten der Entstehung von Tumoren, neurodegenerativen Erkrankungen, einer kardialen Hypertrophie oder Diabetes entgegenwirken kann. Und ein weiterer schöner Vorteil: Autophagie wirkt wie ein natürliches „Anti-Aging“ und kann die Lebenserwartung erhöhen.4,5,6
„Metabolic Switch“: Energie wird jetzt durch Fettabbau gewonnen
Sind die Reserven an Kohlenhydraten nach einiger Zeit aufgebraucht, fängt der Körper zunächst an, Eiweiß zur Energiegewinnung abzubauen. Natürlich kann aber nicht das komplette Eiweiß des Körpers verbraucht werden – das würde bedeuten, dass besonders die Muskeln extrem abgebaut werden würden. Daher wendet sich der Körper schließlich dem Abbau der Fettreserven zu. Diese Umstellung des Stoffwechsel von Glucose zu Fett zur Energiegewinnung wird auch als „Metabolic Switch“ bezeichnet und fängt ca. 12 – 36 Stunden nach Beginn des Fastens an.7 Wenn man richtig fastet und Fehler vermeidet, werden daher beim Fasten vor allem Fettpolster abgebaut, die Muskelmasse jedoch nicht.
Die abgebauten Fettsäuren werden zu sogenannten Ketonkörpern verstoffwechselt, welche dann zur Energiegewinnung genutzt werden können. Das ist besonders für das Gehirn wichtig.
Das Gehirn verbraucht viel Energie
Obwohl das Gehirn nur ca. 2 % des Körpergewichts ausmacht, verbraucht es rund 20 % der gesamten Energie.8 Das Gehirn ist damit so wichtig, dass es nicht in den Fasten-Modus übergehen kann. Der Körper hat eine Methode entwickelt, um das Gehirn auch während Hungersnöten oder beim Fasten mit ausreichend Energie zu versorgen: die Ketonkörper.9 Dass Ketonkörper anstatt Kohlenhydraten als Energie genutzt werden, ist für den Körper eigentlich energetisch sehr ineffizient. In Hungersnöten sichert es jedoch das Überleben und ist daher sehr wichtig.
Bei Typ 1 Diabetikern ist aber Vorsicht geboten: Ketonkörper haben einen sauren pH-Wert. Werden zu viele Ketonkörper produziert, sinkt der pH-Wert des Blutes leicht ab.10 Bei gesunden Menschen kann der Körper dies über andere Stoffwechselreaktionen – besonders der Produktion von Insulin – ausgleichen. Bei Typ 1 Diabetikern kann jedoch eine sogenannte Ketoazidose entstehen, bei der der Betroffene im schlimmsten Fall ins Koma fällt.10,11
Fasteneuphorie und langfristige Effekte
Nach zwei oder drei Tagen des Fastens erleben viele, aber nicht zwangsläufig alle Personen, eine sogenannte Fasteneuphorie. Sie beruht darauf, dass der Körper vom Sympathikus (dem Teil des Nervensystems, durch den wir Stress, Unruhe und Angst verspüren) auf den Parasympathikus umschaltet. Der Parasympathikus ist wichtig für Entspannung und mentale Ruhe. Zusätzlich wird die Wirkung von Glückshormonen wie Dopamin und Serotonin verstärkt. Die Fasteneuphorie kann daher dazu beitragen, dass Hunger während des Fastens gar nicht so stark wahrgenommen wird.
Langfristig hat (Intervall-) Fasten viele positive Effekte: Entzündungsmarker und oxidativer Stress sinken und die kognitive Wahrnehmung wird verbessert.7 Der Fettabbau wird verstärkt und die Blutfettwerte verbessern sich.7,12 Auch der Blutzuckerspiegel sinkt und die Insulin-Sensitivität wird verbessert. Zusätzlich sinken auch Blutdruck und Ruhepuls.7
Die Stärke des Effekts hängt allerdings von verschiedenen Faktoren ab. So können verschiedene Fastenarten unterschiedliche Effekte haben. Und natürlich kommt es trotzdem darauf an, was man zwischen der Fastenzeit isst. Ernährt man sich beispielsweise überwiegend von Fertiggerichten, Fast-Food und gesüßten Getränken, bringt das Fasten deutlich weniger oder keine positiven Effekte mit sich.
Für wen ist Fasten geeignet?
Auch wenn noch viel Forschung notwendig wird, um die zugrundeliegenden Mechanismen, die Vor- und Nachteile des Fastens vollständig zu entschlüsseln, sind bereits für einige Erkrankungen die positiven Effekte des Fastens nachgewiesen:13,14,15
- Übergewicht
- Diabetes Typ 2
- Bluthochdruck
- Metabolisches Syndrom
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Chronische Entzündungen (z.B. Rheuma)
- Rheumatoide Arthritis
- Chronische Schmerzzustände
- Atopische Krankheiten (z.B. Asthma, Allergischer Schnupfen, Neurodermitis)
- Psychosomatische Krankheiten.
Auch gesunde Menschen können Fasten, um der Entstehung von Krankheiten idealerweise bereits vorzubeugen.
Nichtsdestotrotz ist Fasten für einige Personen ungeeignet. Dazu zählen besonders Krebspatienten und Personen mit einer Essstörung (z.B. Anorexia Nervosa), unkontrollierter Schilddrüsenüberfunktion, Demenz, fortgeschrittener Leber- oder Niereninsuffizienz und auch schwangere oder stillende Frauen.14 Herzkranke sollten besonders vorsichtig sein, da ein durch das Fasten hervorgerufener niedriger Kaliumspiegel Herz-Rhythmus-Störungen verursachen kann. Und auch Personen mit Gicht sollten vorsichtig sein, da durch das Fasten der Harnsäurespiegel im Blut steigen und einen Gichtanfall auslösen kann.14
Außerdem kann es sein, dass die Dosierung bestimmter Medikamente angepasst werden muss. Daher ist es besonders für Fasten-Anfänger ratsam, das Fasten von einem Fastenarzt oder einem zertifizierten Therapeuten begleiten zu lassen. 14
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Literatur
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[15] Müller H, Wilhelmi de Toledo F, Resch KL. Fasting followed by vegetarian diet in patients with rheumatoid arthritis: a systematic review. Scand J Rheumatol 2001; 30(1):1-10. doi: 10.1080/030097401750065256
Jasmin Ostermann
Jasmin studiert im Master Nutritional Medicine und arbeitet seit Dezember 2021 als Werkstudentin bei Perfood. Durch ihr Studium hat sie erlebt, welchen großen Einfluss Ernährung auf die Gesundheit und die Lebensqualität der Menschen haben kann und dass einige Krankheiten durch Ernährung sogar geheilt werden können. Dadurch angetrieben, möchte sie ihr Wissen gerne mit euch teilen.
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