„Bei pauschalen Ernährungskonzepten ist der Frust vorprogrammiert.“

Prof. Dr. Christian Sina, Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin an der Universität zu Lübeck

Lübeck, 26. September 2019 – Im Interview erläutert Prof. Christian Sina, Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin an der Universität zu Lübeck, wie die Personalisierung in der Ernährung Einzug hält und wie dieses Konzept im Alltag umsetzbar ist.

 

Nach „low fat“ und „low carb“ liest man mittlerweile immer mehr von personalisierter Ernährung. Warum sollten wir in Zukunft auf dieses individuelle Konzept setzen?

Prof. Christian Sina: „Erstens gibt es fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse, die zeigen, dass pauschale Ernährungskonzepte nicht für jeden Menschen funktionieren. Zweitens sind wir Dank künstlicher Intelligenz und anderen Technologien mittlerweile in der Lage, personalisierte Ernährung alltagstauglich zu machen. Drittens bedeuten die bisherigen Ernährungskonzepte Verzicht, und das macht den Menschen schlicht und einfach keine Freude. Und was nützt das beste Ernährungskonzept, wenn es niemand durchhält?“

 

Personalisierte Ernährung kann also auch „high fat“ und „high carb“ bedeuten?

Prof. Christian Sina: „In der Ernährungsmedizin gibt es Situationen, bei denen diese Diätformen durchaus sinnvoll sein können. Generell sollten wir uns aber fragen, welche Rolle Kohlenhydrate, Fett oder Eiweiße für den individuellen Stoffwechsel eines jeden einzelnen be-sitzen. Zunächst einmal wird die Energie für unseren Körper hauptsächlich aus Kohlenhydraten gewonnen, sie sind ein wichtiger Brennstoff für unsere Zellen. Die Frage ist, welche Kohlenhydrate das sind und womit sie kombiniert werden können. Es kann sein, dass Sie Nudeln mit einer fettreichen Sahnesoße besser verstoffwechseln als Nudeln mit Tomatensoße, obwohl die Tomatensoße den Ruf hat, „gesünder“ zu sein. Unabhängig davon, dass Tomaten wertvolle Stoffe enthalten, ist es aber durchaus möglich, dass Ihr Stoffwechsel besser mit den Kohlenhydraten der Pasta zurechtkommt, wenn Sie sie mit einer fettreichen Sahnesoße kombinieren.“

 

An welchen messbaren Faktoren machen Sie fest, was für meinen Stoffwechsel besser ist?

Prof. Christian Sina: „Neue Erkenntnisse stellen einen Zusammenhang zwischen der Darmflora und einem gesunden Blutzuckerhaushalt her. Genau diese individuelle Blutzuckerreaktion gilt es zu kennen, um seine Ernährung optimal einzustellen. Die Tatsache, dass der Blutzuckerspiegel nach dem Verzehr der gleichen Lebensmittel bei jedem Menschen unterschiedlich stark ansteigt, korreliert mit der unterschiedlichen, ganz individuellen Zusammensetzung der Darmbakterien. Dieses so genannte Mikrobiom hat seinen ganz eigenen „Appetit“, denn es verstoffwechselt die unterschiedlichen Lebensmittel auf seine eigene Weise. Dies scheint auch einer der wesentlichen Gründe zu sein wieso zwei Menschen so unterschiedlich auf identische Mahlzeiten reagieren.

 

Was macht Sie so sicher, dass personalisierte Ernährung nicht nur eine „Lifestyle-Erscheinung“ ist?

Prof. Christian Sina: „Wir haben es hier nicht mit irgendeinem Trend zu tun, sondern ich würde von der Zukunft der Ernährung sprechen. Immerhin stehen wir vor enormen gesellschaftlichen Herausforderungen: Fakt ist, dass die Kosten für Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck und viele andere ernährungsbedingte Volkskrankheiten unaufhörlich steigen und der Leidensdruck der Menschen immens ist. Personalisierte Ernährung besitzt das Potential, diese Erkrankungen zu verhindern, sie unterstützt pharmakologische Therapien, verbessert chronische Leiden und ermöglicht ein nachhaltiges Gewichtsmanagement. Sowohl die Gesundheitspolitik als auch viele Lebensmittelhersteller haben das erkannt. An der Uni Lübeck arbeiten wir intensiv mit solchen Herstellern zusammen. Wenn sie ihre Produkte verbessern möchten, nehmen wir sie in spezielle Studienprogramme auf, so dass die Hersteller ihre Lebensmittel entsprechend weiterentwickeln können.

In Punkto Lifestyle haben Sie insofern Recht, dass die Menschen genug haben von Verboten. Sie wollen nachhaltige Lösungen, die in ihren Lebensstil passen, sonst ist der Frust vorprogrammiert. Da spielt Genuss eine wichtige Rolle. Mich persönlich wundert es nicht, dass statistisch mehr als 85% aller Diäten langfristig scheitern.“

 

Wie machen Sie personalisierte Ernährung genuss- und alltagstauglich?

Prof. Christian Sina: „Wir haben das Programm „MillionFriends“ entwickelt, bei dem jeder eine Auswahl treffen kann aus den Lebensmitteln, die er gerne isst und die seinen Blutzuckerspiegel niedrig stabil halten. Dieses Programm fußt u. a. auf einer Analyse des Stuhlmikrobioms, einer zweiwöchigen kontinuierlichen Blutzuckermessung und  Angaben zu Körpergewicht und Taillenumfang. Am Ende der Testphase erhält man eine genaue Liste, womit der Stoffwechsel gut klargekommen ist und womit nicht. Vertrage ich beispielsweise die Kohlenhydrate aus Nudeln, Reis oder Kartoffeln am besten? Bin ich eher ein Typ, der Fett oder Proteine besser zu diesen Kohlenhydraten kombiniert? Anhand dieser Ergebnisse lässt sich durch wenige Anpassungen der täglichen Ernährung viel erreichen im Hinblick auf ein nachhaltiges Gewichtsmanagement und die Vorbeugung von Krankheiten. Rund 90 Prozent der MillionFriends Teilnehmer halten sich übrigens an diese Empfehlungen. Drei Viertel von ihnen haben „ganz nebenbei“ Gewicht verloren, und das ohne auf geliebte Lebensmittel komplett verzichten zu müssen oder eine Kalorienobergrenze einzuhalten.“

Über Prof. Dr. med. Christian Sina

Prof. Dr. med. Christian Sina (Jg. 1976) ist Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin an der Universität zu Lübeck. Als Facharzt für Innere Medizin mit Spezialisierung auf Gastroenterologie und Hepatologie verbindet er dort grundlagenorientierte mit klinischer Forschung. Das Forschungsinteresse des gebürtigen Flensburgers gilt vor allem den Themen metabolische Entzündung, zelluläre Energiehomöostase und personalisierte Ernährung. Gemeinsam mit Dr. med. Torsten Schröder entwickelte Prof. Dr. Sina die Idee für MillionFriends, einem Programm für individuell angepasste und messdatenbasierte Ernährung. Mit seinem Team stellt er die wissenschaftlich fundierte Analyse der Mikrobiome, Ernährungsprotokolle und Blutzuckerdaten sicher.

Über die Perfood GmbH

Das Deep-Tech Start-up Perfood GmbH hat zusammen mit führenden Wissenschaftler*innen MillionFriends, ein alltagstaugliches Programm zur personalisierten Ernährung, entwickelt, mit dem jeder seine individuell optimale Ernährung bestimmen kann. Die Mission der Perfood GmbH ist es, ihren Kund*innen durch individuell angepasste und messdatenbasierte Ernährungsempfehlungen ein gesundes Altern zu ermöglichen. Das Unternehmen wurde von Dominik Burziwoda (CEO), Dr. Dr. Torsten Schröder (Chief Medical Officer), Dr. Christoph Twesten (CTO) und Prof. Dr. Christian Sina im Jahr 2017 an der Universität zu Lübeck, einer der führenden deutschen Life Science Universitäten, gegründet. Das Team besteht aus mehr als 20 Mitarbeiter*innen aus den Bereichen Medizin, Datenwissenschaft, Ernährung, Computertechnik, Wirtschaft und Design. Perfood arbeitet in wissenschaftlichen Projekten mit führenden multinationalen Unternehmen zusammen. Darüber hinaus kooperieren die Lübecker*innen mit führenden Forschungseinrichtungen, beispielsweise der Universität Hohenheim, der Leibniz-Gemeinschaft und der Helmholtz-Gesellschaft.

www.perfood.de

www.millionfriends.de

[1] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24682001/

Sie haben Fragen oder möchten ein persönliches Interview führen? Dann wen- den Sie sich bitte an:

Ulrike Voß
E-Mail: [email protected]
Tel.: +49 (0)172 590 55 50

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